Von der Nächstenliebe
CARITAS ist keine Organisation!
Es ist auch kein Ausschuss und es sind auch nicht einzelne Personen, die sich immer wieder zu sozialen Fragen äußern. Es sind nicht die Anderen – CARITAS ist die LIEBE vor allem zu den Nächsten und das hat immer zu allererst mit MIR zu tun! Caritas ist neben Liturgie und Martyrium (Verkündigung) eine der drei Grundvollzüge der Kirche. Ohne Caritas gibt es keine Kirche. Das heißt, um Kirche zu sein, müssen wir unseren Nächsten lieben!
Aber so einfach ist es leider wieder auch nicht. Oft fehlt mir die Zeit und ich habe gerade so viel mit mir selbst zu tun, dass ich mich nicht auch noch um meinen Nächsten kümmern kann. Vielleicht kann er oder sie sich ja auch selber helfen und wenn nicht, es gibt ja doch auch eine „Organisation“, die Caritas heißt. Manchmal stellt sich auch die Frage, ob denn die Hilfe oder das Geld überhaupt ankommen wird und diejenigen erreicht, die es nötig haben. Zahlt sich denn Caritas – nämlich die Liebe – überhaupt aus?
Vor einiger Zeit habe ich in einem Haus der Caritas eine ältere Dame besucht und sie erzählte mir von ihrem Leben: „Wissen´s i bin net recht g´scheit und do hob i mit da Schul aufg´hört und meine Eltern pflegt.“ Als die Eltern verstorben sind, wird die Frau aus der elterlichen Wohnung delogiert und sie landet auf der Straße. Trotz der tragischen Ereignisse, die sie von ihrem Leben berichtet, verliert ihr Gesicht nie an Freundlichkeit. Zum Schluss ihrer Erzählung nimmt sie meine Hand, tätschelt sie liebevoll und sagt: „Wissen´s, Sie miassn an wos glaub´n – dann schaffen´s es. I hob´s jo a g´schafft!“ Mit einer völlig neuen Erkenntnis, was es heißt, es im Leben geschafft zu haben, gehe ich nach Hause. Vor allem beschäftigt mich, wer hat da wohl wen „mehr“ beschenkt. Leider gelingt die Nächstenliebe nicht immer für beide so erfüllend.
Vor drei Monaten bin ich mit meinem Fahrrad um 8 Uhr 20 auf der Kennedy Brücke auf dem Fahrrad- und Gehweg vor dem Abgang zur U4 gestürzt. Einerseits der Schreck des Sturzes, andererseits die Schmerzen ließen mich einige Minuten am Boden liegen. Es kommen zwar viele Frauen und Männer unmittelbar an mir vorbei, doch keiner kommt mir zu Hilfe. Die meisten drehen ihren Kopf völlig unnatürlich in eine andere Richtung, um ja keinen Blickkontakt mit mir aufzunehmen. Zu guter Letzt war der Schmerz, dass keiner der vorbeigehenden Menschen auch nur die Mühe auf sich nahm, mich nach meinem Befinden zu fragen, der größte. Natürlich kann man kurz vor Arbeitsbeginn nicht auch noch Menschen retten. Die eigene Sorge war halt größer. Und schließlich und endlich habe ich mir ja doch selber helfen können, da es nur Zerrungen und ein Bluterguss waren. Aber der Nachgeschmack, des Nicht-Beachtet-sein - des nicht geliebt zu sein, der bleibt; und auch der Gedanke, dass dieser Zustand bei mir nur ein paar Minuten gedauert hat.
Ich glaube, wir alle sehnen uns, zu lieben und geliebt zu werden. Und wie sie sehen, ist es auch gar nicht so einfach.
Daher möchte ich sie herzlich einladen und ich hoffe auch auf reichliche Antwort. Erzählen Sie mir, wo ihnen CARITAS fehlt oder wo Sie sich gerne einbringen wollten, aber noch nicht wissen wie. Vieles wird in Gemeinschaft besser gelingen, dann wird unsere Kirche immer mehr ein Bild der Liebe und manches müssen wir, weil es keine Lösung gibt, in Gemeinschaft aushalten.
Aber die Liebe hält allem stand (1.Korinther 13,7)
Euer Diakon Edwin Zaloha